Forschungsschwerpunkt
Ausstellungen
Texte
|
ALTE MEISTER
"Wir können uns noch so viele Alte Meister als Gefährten genommen haben, sie ersetzen keinen Menschen, ..., am Ende sind wir vor allem von diesen so genannten großen Geistern und Alten Meistern alleingelassen."
Thomas Bernhard
Der Ritter und das Mädchen. An die Tapferkeit des Ritters erinnert seine Rüstung aus Eisen. An die Schönheit des jungen Mädchens erinnert ihre Statue aus Stein. Auf der materiellen Ebene bleibt von beiden bloß ein idealisierter Abdruck ihrer Existenz zurück. Die leere Hülle als negatives Abbild des Ritters, ein technischer Apparat hinter dessen Visier die individuellen Züge des Herrschers im Dunklen bleiben. Das Gesicht des Mädchens in Stein festgehalten, ein positives Bild von einem gewöhnlichen Schicksal. Als Figuren gehen beide in die kollektive Mythenbildung ein, als Abdruck werden sie zum Gegenstand der Kunstgeschichte.
Das Medium des Abdrucks von Existenz ist die Fotografie. Sie hat darin alle anderen Künste abgelöst und vor allem die Disziplin der Kunstgeschichte nicht nur geprägt, sondern auch reflektiert und kritisiert. Dieser Spannung zwischen Fotografie und Kunstgeschichte geht Bianca Hobusch bei ihren fotografischen Studien und Reisen nach. Die konstitutive Abhängigkeit von Original und Reproduktion, Unerreichbarkeit und Wert, Distanz und Anziehung beleuchtet sie durch das Übereinander und Nebeneinander von historischen Darstellungen und ihrer Aktualisierung in tatsächlichen Räumen und im Raum der Fotografie. Wieviel Geschichte haftet der Gegenwart an? Wieviel Wirklichkeit findet man in der Vergangenheit?
Während auf Bianca Hobuschs bisherigen Arbeiten Personen eher als Teil der Gemälde auftauchten, die ihr im jeweiligen Kontext als Motiv dienten, steht nun im Zentrum ihrer Aufnahmen der Mensch selbst. Im Zentrum, aber immer etwas aus dem Focus des Objektivs, dem Schwanken der Verwischung ausgesetzt, erscheinen die historischen Figuren an der Oberfläche der Bilder als verdoppelte, die sich vor dem Hintergrund der Geschichte entwickeln. Bianca Hobuschs Fotografien werfen die Frage auf, ob Fotografie nicht auch das Nicht-Existierende, das Andere der Existenz abbilden kann. Durch die Aktualisierung in der Fotografie gibt Bianca Hobusch dem Ritter und dem Mädchen jene subjektive Identität zurück, die ihnen die Kategorisierungen der Kunstgeschichte vorenthalten haben, und stellt diese gleichzeitig in Frage. Eine Verdoppelung erfährt auch das Subjekt der Kunstgeschichte, ein neues Leben jenseits der Alten Meister, in dessen Mittelpunkt nicht mehr der Künstler steht, sondern ein komplexes Geflecht von Beziehungen zwischen damals und heute.
Stephanie Bunk
|