K ulturwissenschaftliches Institut für Europaforschung



    Marie Fabiunke (Dezember 2003)
    Themenkarrieren in der Medienöffentlichkeit
    Abstract

    Themen kommen auf die Medienagenda, sie verschwinden, erleben ein mehr oder weniger starkes "Comeback" oder werden zu bestimmten Ereignissen immer wieder auf die Tagesordnung gebracht. Doch Themen fallen nicht vom Himmel.

    Wie kommt es, dass manche Themen in der Medienöffentlichkeit nicht wahrgenommen werden, während andere Themen die Presse und die Sendeminuten von Rundfunk und Fernsehen dominieren? Wie lässt sich der Themenhaushalt der Medienberichterstattung erklären? Gibt es Themenkarrieren und wie kann man diese untersuchen?

    Themen sind - Niklas Luhmann folgend - "mehr oder weniger unbestimmte entwicklungsfähige Zusammenhänge", darauf aufbauend sind Themen der öffentlichen Kommunikation vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie kontroverse Elemente auf sich vereinigen und damit ein Konflikt- und Diskussionspotential in sich bergen. Öffentliche Themen sind ein Ensemble aus Inhalt und Form, aus Fakten, Interpretation und Meinung, die sich gegenseitig beeinflussen und ineinander übergehen.

    Erfolgreiche Medienthemen müssen Bilder erzeugen, Betroffenheit und Identifikationen des Publikums hervorrufen können; gleichzeitig sind Themen nicht unendlich, sondern durch die kulturellen und gesellschaftlichen Kategorien des jeweiligen öffentlichen Raums festgelegt.

    Auch wenn Überraschendes und Neues Aussichten auf eine erfolgreiche Medienkarriere hat, so verbleibt die Neuartigkeit von Medienthemen im Rahmen der bereits existierenden und dominierenden Kognitions-, Vorstellungs- und Meinungshorizonte - Unerwartetes ist nur erfolgreich in den Grenzen der gesellschaftlichen Erwartungen. Die Ausnahme bilden negative Neuigkeiten - sie vermögen die mediale Aufmerksamkeit fast immer ohne Einschränkungen auf sich beziehen.

    Themenkarrieren sind ereignishaft, ihre Dynamik macht sich an konkreten Ereignissen - Aktionen oder Äußerungen- fest. Sie werden von den Elementen des publizistischen Prozesses - Kommunikator, Kommunikationsinhalt, Medium, intendierte und erreichte Rezipienten und Wirkungen- gestaltet.
    Der publizistische Prozess ereignet sich im Bezugsrahmen der medialen Aufmerksamkeitsstrukturen, die wiederum zeitlich begrenzt sind und durch die Konkurrenz von Themen untereinander definiert werden.
    Der gesamte Themenhaushalt der Medienöffentlichkeit besteht aus einer Abfolge permanenter Kristallisationspunkte und Ruhephasen, ebenso durchleben die einzelnen Themen das "Oszillieren" zwischen größerer und geringerer Aufmerksamkeit. In seinen Episoden, die jeweils durch Ereignisse ausgelöst werden, dominiert ein Thema die öffentliche Kommunikation; ist eine Episode abgeschlossen, gerät das Thema in seiner Gesamtheit in den Hintergrund der Medienberichterstattung. In seinen Episoden kann ein Thema aus verschiedenen Sichtweisen und Positionen und mit unterschiedlichen Argumentationen dargestellt werden. Dadurch entstehen jeweils unterschiedliche Diskursstrategien und Deutungsmuster des gleichen Themas im Laufe seiner Karriere.

    Unter denen an der Medienkarriere eines Themas Beteiligten interessiert aus publizistikwissenschaftlicher Sicht besonders das Verhalten der Journalisten. In ihrer Arbeit orientieren sie sich oft an der Themensetzung und -gestaltung ihrer Kollegen, wodurch gleichgerichtete medienspezifische Sichtweisen entstehen können. Auch wenn in unterschiedlichen Phasen einer Themenkarriere jeweils verschiedene Kommunikatoren eine Schlüsselrolle übernehmen können - so macht eine konvergente mediale Thematisierung, bedingt durch journalistische Ko-Orientierung und durch mediale Hierarchien und Deutungsmächte, eine unabhängigen publizistischen Diskurs unmöglich. Mit ihren den inhaltlichen und interpretatorischen Vorgaben können Leitmedien das Themenspektrum der Öffentlichkeit dominieren.

    An diesem Punkt muss eine kritische Betrachtung von Themenkarrieren einsetzen, die über die Beschreibung ihrer Bestimmungsfaktoren und deren systematische Erfassung hinausgeht:
    Künstliche und übersteigerte Thematisierungen von Ereignissen und Äußerungen, deren gesellschaftliche Relevanz durchaus geringer ist - Hyperthematisierungen - und auf der anderen Seite die Nicht-Thematisierung wichtiger Probleme müssen hinterfragt und die dahinter stehenden Motive zur Beeinflussung der öffentlichen Kommunikation beleuchtet werden - dies ist die Aufgabe einer kritischen Öffentlichkeitsforschung.

    Zum weiter lesen: Die Top 10 der vernachlässigten Medienthemen unter http://www.nachrichtenaufklaerung.de/


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