K ulturwissenschaftliches Institut für Europaforschung



    Nina Brodowski(August 2004)
    Mythos Antike in Form des Sandalenfilms

    In dem Aufsatz Die Römer im Film vollzieht Roland Barthes eine Kritik am bürgerlichen Schauspiel anhand des Film JULIUS CAESAR von Mankiewics. Dieser Kritik liegt ein impliziter Anspruch an die künstlerische Verwendung von Zeichen zu Grunde, die er hier als Moral des Zeichens einführt. Roland Barthes konstatiert, dass ein Schauspiel dazu geschaffen ist, die Welt klarer zu machen, dass aber eine schuldhafte Duplizität darin liegt, dass Zeichen und das Bedeutete zu verwechseln. Im bürgerlichen Schauspiel - und hier verhandelt speziell jenes des Historienfilms - geht es um die affirmative Invokation einer Welt, die es so nie gab, deren Vorstellung wir in jedem Moment der Gegenwart neu generieren und regenerieren, deren Inszenierung aber als historisches Dokument verhandelt wird.

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    Der antike Held

    Roland Barthes lehrt uns, dass eine Form nur als Bedeutung bewertet werden kann, nicht als Ausdruck für etwas Bestehendes. Nehmen wir diesen Ausspruch Barthes´ ernst, so müssen wir das Schauspiel als Zeichen unserer Zeit verstehen, als Ausdruck einer spezifischen Haltung, eines Zeugnis unserer Zeit, unseres Zeitgeistes. Die Motive und Fragestellungen dieser Filme geben sich allerdings stets ahistorisch. Der spezifische Mythos, der hier von Barthes verhandelt wird, ist der bürgerliche Mythos der Antike, der sich vor allem durch die Vorstellung der Tugendhaftigkeit ihrer Helden darstellt.
    Diese Beobachtung lässt sich auch in dem Film Troja von Wolfgang Petersen machen. Die Leiden der jungen Übermänner sind ein wichtiges Merkmal dieser Helden. Die zweifelnde und in tiefe Falten gelegte Stirn Eric Banas (alias Hector) oder Brad Pitts (alias Achil) entspricht dabei den dauerhaft Tränen gefüllten Augen der leider nur schönen Helena (gespielt von Diana Krüger) oder den ständig zuckenden Lippen ihrer Schwägerin in spe - deren schmollmundorientierte Gesichtsdisko eher an Barthes angesprochenes degradiertes Schauspiel (46) in Julius Caesar erinnern, als dass sie auf die sie quälende Verlust-Angst verweisen.

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    Mythos

    Wir sind hiermit beim grundlegenden Prinzip des Mythos angelangt: er verwandelt Geschichte in Natur. Die Arbeit der Regisseure, MaskenbildnerInnen, TechnikerInnen, DrehbuchautorInnen - die Gesamtheit der Arbeit und der Konzeption, die bewirkt, dass die Haarfransen so gelegt werden und nicht anders, ist explizit, gerinnt aber sogleich zu des Zeichens impliziter Natur. Die Inszenierung im Film wird nicht als Motiv gelesen, die Vorstellung von Römertum oder der griechischen Antike anzurufen, sondern andersherum: die Antike wird nun natürliche Begründung der Inszenierung: "alles vollzieht sich, als ob das Bild auf natürliche Weise den Begriff hervorriefe, als ob das Bedeutende das Bedeutete stiftete.

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    Die stille Affirmation

    Doch der bedarf Mythos des Lesers, der ihn annimmt und liest, ohne ihn zu zerstören. Im Falle des Historienfilms handelt es sich zunächst um die Praxis des Kinobesuchs, der die Relevanz und Glaubhaftigkeit seiner Darstellung voraussetzt. Der Maßstab zur Bewertung des Filmes wird bei diesen Inszenierungen auf die Glaubwürdigkeit der Nachahmung angewandt. Ohne allerdings die Nachahmung nach Glaubwürdigkeit zu hinterfragen. Die Glaubwürdigkeit ereignet sich im Kino selbst. Voraussetzung für die Anerkennung der Inszenierung ist die vorausgehende Einwilligung des Betrachters, diese Inszenierung als "detaillgetreu" und "aufwendig nachempfunden" wahrzunehmen. Hier findet sich das Motiv der Affirmation, in der das Zeichen auf die latente Zustimmung des Lesers angewiesen ist, wieder.

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    Die Moral des Zeichens

    Die eingesetzten Zeichen sind übertrieben und läppisch zu gleich: sie bleiben an der Oberfläche, aber verzichten deshalb doch nicht darauf, sich für tief auszugeben. Sie werden eingesetzt, um Sinnverhältnisse verständlich zu machen, aber bedeuten lediglich Affirmation dessen, was bereits bekannt oder real wirksam ist. Hier sind wir an Barthes Moral des Zeichens angelangt…


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