Europas Kapitale


    - project description in english -

    Europas Kapitale
    Induktive und deduktive Wissenszirkulationen in Europa


    Während über Jahrzehnte eine wirtschaftliche Vereinigung Europas vorbereitet wurde, scheint es auf der sozio-kulturellen Ebene noch erheblichen Nachholbedarf zu geben. Denn während dieses Europa international versucht, in wirtschafts- und außenpolitischen Fragen als Einheit aufzutreten und zu agieren, dominiert nach Innen stets die Frage, was diese Einheit denn überhaupt darstellen soll und worauf sie basiert. Dabei wird immer wieder auf eine gemeinsame Kultur verwiesen, ohne allerdings diesen Begriff genauer zu definieren oder zu durchleuchten.

    Im Gegensatz zu der - meist in der Vergangenheit nach Antworten suchenden - Frage nach dem Kern Europäischer Identität, gilt es vielmehr zu untersuchen, was europäische Kultur in der Gegenwart ausmacht und verbindet. Die Frage, was ist europäische Kultur - was sind die jeweiligen Besonderheiten und was eventuelle Gemeinsamkeiten europäischer Kulturen jenseits rhetorischer Einheits- oder Abgrenzungsbeschwörung - ist nicht zu beantworten, solange ein gemeinsamer Erfahrungsraum fehlt und die Fragen nicht ins Hier und Jetzt zurückgeholt werden. Die Frage nach einer möglichen Europäischen Identität darf dabei nicht entlang der Grenzen Europas und allein "in Abgrenzung zu" debattiert werden, sondern bedarf einer Vertiefung der Fragestellung und Austausch darüber im Inneren Europas.

    Das Projekt "Europas Kapitale" versucht voranzutreiben, was oft emphatisch angerufen wird: nämlich eine europäische Öffentlichkeit nicht nur zu beschwören, sondern durch kritischen und wissenschaftlichen Austausch mit Inhalten und Begegnungen zu füllen. Kapitale steht dabei nicht nur für die 25 Hauptstädte Europas, sondern auch (im Sinne Derridas in "Das andere Kap") für das kulturelle Material (Bücher, Bilder, Filme, Zeitschriften, Videoclips, Werbungen und Städtearchitektur), das durch Kommunikation generiert wird und gleichzeitig gesellschaftliche Realität strukturiert. Als Artefakte sind sie Träger von Mentefakten (kulturelle Kodizes), die die Spuren europäischer Kommunikationswege aufzeigen. Sie zu erforschen und zu verstehen stellt die erste Stufe einer kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Europa dar, um jenseits von Populismus und Ökonomie über ein gemeinsames Europa zu diskutieren und zu verhandeln.

    Konkret sollen in diesem Projekt in jeder Hauptstadt Kulturwissenschaftlerinnen in direkter Begegnung zwei Tage aufeinander treffen. Dabei geht es darum, einen gemeinsamen Erfahrungsraum zu schaffen, in dem sich über die jeweilige Stadt und Besonderheiten ausgetauscht werden. In der ersten Etappe reisen Studentinnen aus Lüneburg in die jeweiligen Städte mit erarbeiteten Aufgaben und Fragenstellungen. Diese gilt es zusammen mit dem jeweiligen Partner vor Ort zu erörtern, zu diskutieren, durchaus auch in Frage zu stellen und gegebenenfalls zu überarbeiten und zu beantworten. In einem nächsten Schritt sollen die Partner der Städte nach Lüneburg eingeladen werden, die Ergebnisse in einer gemeinsamen Konferenz vorgestellt, diskutiert und analysiert werden.

    Ziel dieses Projektes ist neben der (kultur-)wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit unserer Gegenwart auch der Aufbau eines europäischen Netzwerks von jungen KulturwissenschaftlerInnen. Es geht nicht zu letzt auch darum, das gegenseitige Verständnis und Zusammenarbeit zu fördern, um Fremdheiten und Vorurteilen innerhalb Europas - aber auch den Schwach- und Blindstellen eines einheitsbeschwörenden Europas - zu begegnen und die Herausbildung einer europäischen "Staatsbürgerschaft" mitzugestalten.




    Ziel:
    Die Erforschung der Fluktuationswege von Mentefakten und Artefakten in Europa.

    Forschungsbereiche:

    a- Formen und Medien der induktiven Wissenszirkulation:

    Gemeint sind auf Erfahrung basierende individuelle Auseinandersetzungen mit dem Thema Europa.

    Beispiele
    - Universitäten als Forschungs- und Bildungsstätte, europaorientierte Themen und Konzepte im Lehrplan.
    - Individuelle Erfahrungen mit europäischen Kulturen.
    - Kunst: Tendenzen der zeitgenössischen Kunst
    - Literatur: Themen und Formen der zeitgenössischen Literatur


    b- Formen und Medien der deduktiven Wissenszirkulation in Europa

    Dies sind vor allem zentral regulierte bzw. konzipierte Muster, politische Botschaften, ökonomische Zwänge etc., die eine künstliche Öffentlichkeit oder öffentliche Meinung inszenieren. Der einzelne Mensch wird hier zum Konsumenten von vorgefertigten Mustern politisch regulierter Botschaften; es findet keine individuelle europäische Erfahrung statt.

    Beispiele
    - Europa Büros
    - Medien
    - Stadtimagepflege


    Aufgaben

    Die Aufgaben lassen sich in zwei Bereiche aufteilen:

    a- primäre, konkrete Quellen der europäischen Identität
    b- sekundäre Materialien zur Europaforschung

    Phase I
    Exkursion: Unterwegs nach Europa


    Ziel der Exkursion ist die nachhaltige Entwicklung einer auf Erfahrung und Austausch basierenden Europäischen Identität. Eine wichtige Arbeitsstrategie des Projektes ist die Verknüpfung der Europäischen Gegenwart mit den Forschungsinteressen junger AkademikerInnen. Für die Vertiefung und Verankerung der Erfahrung spielen die persönliche Begegnung und der wissenschaftliche Austausch eine entscheidende Rolle.

    Ein weiteres Ziel ist die Kontaktherstellung mit AkademikerInnen in den europäischen Hauptstädten, um die Diskussion über die Europäische Identität anzuregen und mitzugestalten. Diese soll die akademische und problemorientierte Netzwerkbildung auf einer gesamteuropäischen Ebene fördern.

    Im Rahmen der Exkursion werden 30 TeilnehmerInnen in 25 Hauptstädten Europas zeitgleich unterwegs sein, Gespräche über Europa und Recherchen vor Ort führen. Die Erfahrungen und Eindrücke werden während der Exkursion im Internet zu verfolgen sein.


    European Capitals

    Whereas in the last decades there has been a continuous economic preparation of the European Union, we still lack in cultural progress about it. While Europe tries to present itself as a unity on international and economic matters, doubts what this community unifies on the very basics dominate the discussion inside. In this discussion it is very common to refer on a common culture - but mainly without a specific definition about it.

    In contrast to the question of the very "core" of European identity - which is often directed to the past - we should rather explore contemporary artefacts of European culture in order to investigate its basics and specifics. If we do not transfer the question of European limits, values and topics to the presence and a common space of experience we will not be able to understand, what European culture is about - neither will we understand what might be the unifying elements in the very rich and heterogeneous patchwork we are facing right now. .

    The project "European Capitals" therefore tries to establish and create what still keeps being invocated until now, i.e. not only to conjure an European public sphere but to enable a critical and scientific debate and exchange within. In this sense, "Capital" does not only refer to the 25 capitals in Europe but as well (according to Derrida "The Other Kap") to the cultural material (i.e. books, images, movies, publicity, videos and architecture) that is generated within a process of communication and in the meantime structuring our socio-cultural reality through it. As artefacs these objects function as a medium to transfer mentefacts (cultural codices), which allow to read the traces of European communication. To investigate and understand them is the first step for cultural studies to analyse, discuss and negotiate about Europe apart from populism and economic dominance. .

    For our present project we are planning 25 students to visit the European capitals in october 2005 for 2 days. Since a main concept of our research-work is to initiate discussions about European reality we are focussing on a direct encounter of two students to compare and evaluate European topics in their city and every day life. The second step will be to invite all the partner students to present, discuss and evaluate the results in Lüneburg/Germany next year. .

    Apart from discussing European identity, this project aims at constructing a European academic network to support the exchange of scientific reflection about the European cultural condition. Last but not least we are looking forward to engage the people's knowledge and curiosity to counteract prejudice but also to clarify spaces of prejudice towards non-European cultures - as well as to motivate in investigating in the European process. .



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